Brief an das Deutsche Ministerium für Finanzen
Staatssekretär im Ministerium der Finanzen
Herr Rolf Bösinger,
Wilhelmstraße 97
10117 Berlin
Brüssel & Berlin, 2 März 2021
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
Ecommerce Europe, die europäische Interessensvertretung des digitalen Handels, der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) und der logistic-natives e.V., das internationale Logistik-Infrastruktur Netzwerk des modernen Handels, möchten Sie gemeinsam auf einige Probleme in Zusammenhang mit der Implementierung und Umsetzung des EU-Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel aufmerksam machen.
Die Europäische Kommission hat das Inkrafttreten des erweiterten EU One Stop Shops (OSS) und des neuen Import-OSS um 6 Monate auf den 1. Juli 2021 verschoben. Dies war auch der Tatsache geschuldet, dass einige EU-Mitgliedstaaten erklärt hatten, sie bräuchten mehr Zeit, um die notwendigen technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, insbesondere da sich durch die Corona-Pandemie die Prioritäten verschoben hatten. Diese Verschiebung sollte den Mitgliedstaaten und Unternehmen erlauben, sich besser auf die neuen Regeln vorzubereiten und die nationalen IT-Systeme anzupassen oder zu entwickeln.
Einige Mitgliedsstaaten haben jedoch erklärt, dass ihre IT-Systeme auch bis 1. Juli 2021 nicht fertiggestellt sein werden, was unseres Erachtens ein ernstes Problem darstellt. Auch wenn nur ein oder zwei Mitgliedsstaaten ihre IT-Systeme nicht rechtzeitig fertiggestellt haben werden, wird dies zu einer Lücke im System führen, die für unlautere Handelspraktiken genutzt werden und so zu Wettbewerbsverzerrungen im Markt führen kann.
Insbesondere Deutschland hat öffentlich erklärt, dass seine IT-Systeme bis zum Stichtag nicht fertiggestellt sein werden. Am 3. November 2020 gab das deutsche Bundesministerium der Finanzen bekannt, dass das deutsche zur rechtskonformen Umsetzung des EU-Mehrwertsteuerpakets geschaffene IT-System erst im ersten Quartal 2022 einsatzbereit sein wird. Dennoch soll der IOSS in Deutschland voraussichtlich, wie vorgesehen, ab dem 1. Juli 2021 verfügbar sein und Anträge auf Registrierung für IOSS-Umsatzsteuer-Identifikationsnummern sollen in Deutschland bereits ab dem 1. April 2021 entgegengenommen werden. Dies hat die Generalzolldirektion am 17. Februar bestätigt. Das heißt, die Registrierung wird zwar möglich sein, aber die notwendige Zertifizierung für diejenigen, die planen, die neue Zollanwendung gemäß dem EU-Mehrwertsteuerpaket zu nutzen, wird frühestens im vierten Quartal 2021 beginnen.
Darüber hinaus schreibt das Jahressteuergesetz vor, dass Marktplätze die nationalen Umsatzsteuer-IDs von Drittverkäufern aufzeichnen und ständig validieren müssen, was bedeutet, dass EU-Fernverkäufer in Deutschland umsatzsteuerlich registriert bleiben müssen, auch wenn sie die einheitliche OSS-Meldung nutzen. Dieses Gesetz steht im Widerspruch zum One Stop Shop der Union und verstößt gegen das EUMehrwertsteuerpaket für den elektronischen Handel. In Anbetracht dieser Bedenken möchten Ecommerce Europe, der bevh und die logistic-natives das deutsche Bundesfinanzministerium bitten, sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen, die sich ab April 2021 im erweiterten Union-OSS und im neuen Import-OSS vorregistrieren lassen, diese ab Juli 2021 auch zur Meldung und Abführung der Umsatzsteuer auf Fernverkäufe außerhalb Deutschlands nutzen können. Gleichzeitig möchten wir Sie darum bitten, den deutschen Zoll dazu aufzufordern, den automatischen Abgleich und die Validierung der EU-IOSS-Mehrwertsteuer-IDs im Datensatz der Zollanmeldung mit der von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten zentralen IOSS-Nummern-Datenbank zu gewährleisten.
Ecommerce Europe, der bevh und die logistic-natives freuen sich auf eine Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums zu den in diesem Schreiben geäußerten Bedenken und stehen bei Bedarf für Gespräche und weitere Informationen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Luca Cassetti (Secretary General Ecommerce Europe)
Christoph Wenk-Fischer (Hauptgeschäftsführer Bundesverband E-Commerce und Versandhandel)
Florian Seikel (Geschäftsführer logistic-natives)
Hier können Sie den Brief an das Deutsche Ministerium der Finanzen herunterladen (PDF)
Über Ecommerce Europe
Ecommerce Europe ist die einzige Stimme des europäischen Digital Commerce Sektors. Durch den Zusammenschluss mit EMOTA vertritt Ecommerce Europe über seine 23 nationalen Verbände nun mehr als 100.000 Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen online an Verbraucher in Europa verkaufen. Ecommerce Europe agiert auf europäischer Ebene, um den Gesetzgeber dabei zu unterstützen, bessere Rahmenbedingungen für Online-Händler zu schaffen, damit deren Umsätze weiter wachsen können.
Website: www.ecommerce-europe.eu
Über bevh
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) ist der E-Commerce Verband und damit die Branchenvereinigung der Interaktiven Händler (d.h. der Online- und Versandhändler). Dem bevh gehören derzeit 500 Unternehmen an. Darunter sind Versender mit Katalog- und Internet-Angebot, Internet-Pure-Player, Teleshopping-Unternehmen, Versandapotheken, Verkäufer auf Online-Marktplätzen und Versender mit Heimat im stationären Handel. Die Versandbuchhändler gehören ebenfalls dazu.
Website: www.bevh.org
Über logistic-natives e.V.
Der logistic-natives e.V. ist das mittelstandsgeprägte internationale Logistik-Infrastruktur Netzwerk des modernen Handels. Der Verband vertritt aktiv die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen von über 30.000 Branchenunternehmen. Das Netzwerk ist mit seiner pragmatischen Expertise Ansprechpartner für Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und andere Institutionen, um nationale und internationale Lösungen für den modernen Handel zu schaffen. Dabei sieht sich der logistic-natives e.V. als Querschnittsverband zu verschiedenen Branchen rund um den Handel.
Website: www.logistic-natives.com