Handlungsempfehlungen Infrastruktur Gesundheitssytem (InGes)
für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages

Schwerpunktthema Gesundheit

Die Prognosen gehen weiterhin von steigenden Gesundheitskosten in den kommenden Jahren aus. Die Ankündigungen über Beitragshöhen bestätigen diese Prognosen. Trotz vielfältiger Vorschläge aus den unterschiedlichsten Bereichen werden die Möglichkeiten für eine Senkung der Kosten bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Beteiligung von Praktikern in
den vorhandenen Arbeitsgruppen ist meist unerfüllt. Frühzeitige Präventionsmaßnahmen nutzen den Menschen, entlasten die ArbeitgeberInnen und vermeiden teure Operationen und Langzeitbehandlungen.

Deshalb muss umgedacht werden: Weg von der reinen Versorgung von Kranken, hin zur aktiven Förderung der Gesundheit. Die vom Gesundheitsministerium geplanten, teilweise umgesetzten Veränderungen in der Patientenversorgung und der Struktur der Kliniken insgesamt, sind auf gar keinen Fall ausreichend, teilweise sogar kontraproduktiv. Unternehmen unterstützen diesen Ansatz, denn jede Reduktion von Fehlzeiten nutzt auch dem Mittelstand.

Unsere Forderungen

  • Gesundheitspersonal stärken und Bezahlung anpassen
    Die Corona-Krise hat u.a. den Mangel an geeignetem Pflegepersonal mehr als verdeutlicht. Leider hat dies nicht ausgereicht, um endlich ein Umdenken stattfinden zu lassen. Eine Investitions- und Ausbildungsoffensive für alle im Gesundheitswesen agierenden Assistenzberufe muss eingeleitet werden. Einzig eine bessere Bezahlung macht die Arbeitsplätze nicht attraktiver. Es muss massiv in die Finanzierung und Infrastruktur der Ausbildungsstätten investiert werden und geeignetes Personal direkt nach der Schullaufbahn für die benötigten Berufe ausgebildet werden. Wir müssen auch in die Öffentlichkeit mehr ausführliche Informationen dazu geben, dass es im Gesundheitswesen wesentlich mehr Fachberufe als Pflegepersonal und ärztliches Personal gibt, die im Hintergrund der Patientenversorgung arbeiten und leider so gut wie nie im öffentlichen Blickfeld stehen. Es fehlt insgesamt an einer ganzheitlichen Strategie zur Besetzung der offenen Stellen im Gesundheitswesen und zur Behebung des Fachkräftemangels. Nur mit dem Blick ins Ausland kommen wir hier nicht weiter.
  • Corona-Nachwirkungen behandeln
    Es ist wissenschaftlich festgestellt, dass gerade die Jüngsten unserer Gesellschaft überproportional viel unter den teilweise unnötigen Einschränkungen der Corona-Pandemie gelitten haben. Die Kappung sozialer Kontakte schon in den Kindergärten hat massive psychische Belastung ausgelöst. Für die Behandlung dieser Störungen gibt es eine monatelange Warteliste, Termine bei Experten sind rar gesät und teuer. Das ist für alle betroffenen Kinder und Jugendliche unerträglich. Die Folgen dieser Nichtbehandlung wird auf die jeweilige Familie abgewälzt. Wie so häufig trifft es die Kinder aus sozial schwächeren Familien doppelt, denn noch immer ist es in unserem Sozialstaat nicht möglich alle Medikamente oder notwendige andere Behandlungen für Kinder zuzahlungsfrei zu erhalten. Der Kulturpass zum 18. Geburtstag ist ein winzig kleiner Schritt, um die Pandemiefolgen etwas zu mildern. Wenn wir wirklich die notwendige Wiedereingliederung in die Gesellschaft für die Jüngsten anstreben, wird es Zeit umgehend die benötigten Ressourcen zur Verfügung zu stellen. 
  • Prävention belohnen
    Die Möglichkeiten der Diagnostik sind heute besser denn je, werden jedoch im Sinne einer ganzheitlichen Sichtweise auf den Menschen zu selten eingesetzt. Ernährung, Bewegung und das tägliche Umfeld beeinflussen maßgeblich die Widerstandskraft. Hier können Krankenkassen und Unternehmen gemeinsam ansetzen. Die Politik ist gefordert, entsprechen höhere Ausgaben für Prävention zuzulassen. Präventionsmaßnahmen sind genauer definiert und die Kostenvorteile für das Gesamtsystem belegbar.
  • Transparenz über die Qualität von Leistungserbringern und Krankenkassen
    Die Abrechnung im Gesundheitssystem erfolgt oft intransparent. Insbesondere gesetzlich Versicherte müssen aktiv über die Beträge und Leistungen, die in ihrem Namen abgerechnet werden, informiert werden, um auch in diesem Bereich die Verantwortung für die Inanspruchnahme von Leistungen zu fördern.
  • Keine Umsatzschwelle für die Erstattung innovativer Arzneimittel, Zuzahlungen anpassen
    Die Einführung einer Umsatzschwelle bei der Erstattung von Arzneimitteln in Deutschland trifft insbesondere Gründerinnen und Gründer, die hochinnovative Arzneimittel für bisher nicht behandelbare Krankheiten entwickeln, bei denen ein dringender Bedarf besteht. Verschärft wird das Problem, wenn ein großer Bedarf (z. B. aufgrund weniger oder nicht vorhandener Therapiealternativen) und große Gruppen Betroffener (insb. bei den sog. Volkskrankheiten) bestehen. Alternativ nehmen die Zuzahlungen bei den Patientinnen und Patienten immer mehr zu und sogar Arzneimittel für Kinder unterliegen immer mehr Zuzahlungen. Das ist ein Armutszeugnis für unseren Sozialstaat.

Welches Thema bzw. welche Themen muss die Politik in der nächsten Legislaturperiode unbedingt angehen?

  • Technologiefolgenabschätzung von Innovationen im Gesundheitswesen (gerade im Bereich der KI-Anwendungen) forcieren
  • Seit Jahren wird über die Abschaffung der Sektorengrenzen im Gesundheitswesen diskutiert und sollte endlich aus den Arbeitsgruppen nicht nur diskutiert werden, sondern Lösungsvorschläge in die Umsetzung gebracht werden.
  • Sichtbarkeit aller Berufsgruppen im Gesundheitsdienst
  • Aktualisierung und Anpassung der Tätigkeiten in den unterschiedlichen Berufsgruppen an die gelebte Realität
  • weniger Bürokratie (siehe dauernd neue Vorgaben des GBA, IQTIG etc.) bzw. entsprechende Refinanzierung der Personalkosten

Das Stadt-Land-Gefälle wird bei einigen Facharztgruppen überdeutlich, die Facharztdichte ist nicht nur im Landesdurchschnitt zu betrachten, sondern auch deren Auswirkungen auf die Patienten. Immer länger werdende Anreisewege der Betroffenen sind nicht von der Hand zu weisen. Dies sorgt nicht nur für eine schlechtere Versorgung und eine geringere Lebenserwartung in den betroffenen Gebieten, sondern sie verursachen ausgerechnet für die kranke Bevölkerungsgruppe auch noch erhöhte Reisekosten. Die ist für viele Betroffene finanziell nicht zu stemmen. Eine bessere Facharztdichte auf dem Lande wird höchstwahrscheinlich mit einer Entlastung der Notaufnahmen von Kliniken einhergehen.

 

Lade hier die Handlungsempfehlung herunter (PDF)

„Überdeutlich hat uns die Corona-Pandemie gezeigt, dass die schon oft beklagte, zunehmend kommerzielle Ausrichtung des Gesundheitswesens den sozialen Gesellschaftsauftrag nur noch bedingt erfüllen kann. Die Belastung durch Gesundheitskosten erreicht für viele Menschen eine kaum noch tragbare Grenze. Auch die angekündigten Erhöhungen zum Jahreswechsel 2024/2025 machen dies deutlich. Mangelnde Digitalisierung und ineffektive Prozessabläufe verursachen unnötige Kosten. Die finanzielle Ausstattung für die Aus- und Weiterbildung für alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen muss dringend den Notwendigkeiten angepasst werden.
Ein grundlegendes und nachhaltiges Umdenken für die effizientere und leistungsangemessene Bewältigung der künftigen Herausforderungen des demografischen Wandels ist seit langem unumgänglich. Hierbei ist auf die Einbeziehung aller Fachberufe zu achten.“

Heidemarie Hille

Präsidentin, Fachlich unabhängiges Gemium , Infrastruktur Gesundheitssystem (InGes)

Heidemarie Hille

Heidemarie Hille

Präsidentin

Fachverband Infrastruktur Gesundheitssystem

E-Mail: info@inges.org